In Deutschland sterben, trotz Asbestverbot, jährlich ca. 1600 Menschen durch Asbest, mehr als durch Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und andere Berufskrankheiten zusammen.
Asbest findet sich in vielen Produkten an denen heute bei Renovierungen, Sanierungen, Umbau und Abbruch gearbeitet wird. Dies stellt die Immobilienbesitzer und die ausführenden Betriebe vor große Herausforderungen.
Unter Asbest versteht man eine Gruppe natürlicher Minerale mit einer Faserstruktur. Diese Minerale wurden, und werden in manchen Teilen der Welt noch immer, abgebaut und in reiner Form oder als Zusatz zu anderen Stoffen verwendet.
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Asbest hat eine Reihe hervorragender technischer Eigenschaften:
Diese Eigenschaften hat man sich zu Nutze gemacht, um Produkte zu stabilisieren, wetterfest, hitzebeständig und feuerfest zu machen. Wegen der Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten sprach man damals in der Werbung von der "Wunderfaser".
Doch neben diesen positiven Eigenschaften hat Asbest auch eine weitere Eigenschaft: Asbest macht krank!
Dabei ist das Mineral nicht giftig, sondern die winzigen, nadelartigen Feinstaubpartikel setzen sich in der Lunge und anderen Atmungsorganen fest und verursachen dort verschiedene Krankheiten.
Diese von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschriebene Wirkung können auch andere Faserwerkstoffe haben, jedoch ist Asbest besonders tückisch. Weil die Fasern nicht wasserlöslich sind, kann der Körper sie nicht abbauen. Somit reichert sich die Menge mit jeder Exposition an und das Risiko steigt.
Noch etwas kommt hinzu: Asbest ist zwar extrem zugfest, aber bei mechanischer Belastung spaltet es der Länge nach auf und wird damit noch gefährlicher.
Teuflisch: Bei der Bearbeitung erhöht man also die Anzahl der gefährlichen Fasern!
In Deutschland werden jährlich bei den Berufsgenossenschaften etwa 9.000 neue Verdachtsfälle asbestbedingter Berufskrankheiten angezeigt. Davon wird nur ein geringer Teil anerkannt. Jedes Jahr sterben etwa 1600 Menschen an einer solchen Krankheit. Die Dunkelziffer ist vermutlich erheblich höher, da bis 75% der Verdachtsfälle nicht anerkannt und auch nicht alle Fälle gemeldet werden. Unternehmer und Mitarbeiter ausländischer Firmen werden ebenfalls in der Statistik nicht erfasst.
Damit ist Asbest für rund 50% aller arbeitsbedingten Todesfälle in Deutschland verantwortlich.
Asbest verursacht folgende Berufskrankheiten:
Berufskrankheiten-
nummer
4103
4104
4105
4114
Bezeichnung
Asbestose
Lungen-, Kehlkopf- oder Eierstockkrebs
Mesotheliom
Lungenkrebs durch Asbest + PAK
Zeigt ein Mensch typische Symptome einer asbestbedingten Erkrankung, stellt der Arzt eine Verdachtsanzeige bei der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse.
Man geht von einer durchschnittliche Inkubationszeit von 30 Jahren aus. Da Asbest seit dem 1993 verboten ist und die Verwendung bereits vorher rückläufig war, hat man um das Jahr 2010 den "Peak Asbest" erwartet. Ab dann sollte die Anzahl der Neuerkrankungen rückläufig sein.
Rückblickend kann man heute sagen, dass sich diese Hoffnung nicht bestätigt hat. Natürlich sind die Zahlen nicht absolut konstant, aber sie schwanken auf einem unverändert hohen Niveau.
Das Asbestverbot liegt nun über 30 Jahre zurück, man kann also befürchten, dass es erste Asbesterkrankte gibt, die sich die Erkrankung nach dem Asbestverbot bei Abbruch-, Sanierung- oder Instandhaltungsarbeiten zugezogen haben.
Die jungen Handwerker sind nur unzureichend über die Asbestrisiken informiert. Hinzu kommt, dass viele Produkte heute beim Abbruch erheblich mehr Fasern freisetzen, als bei ihrem Einbau. Ein Fliesenkleber etwa setzt beim Verarbeiten keinen Staub frei, beim Abbruch hingegen entsteht eine erhebliche Menge Staub.
Bedenkt man nun noch, dass etwa 80% des verbauten Asbests noch in der Gebäudesubstanz stecken und es gerade diese Gebäude (1950er bis Ende 1980er Jahre) sind, an und in denen heute gearbeitet wird, kommt man zu einem erschreckenden Schluss:
Junge Handwerker haben heute zum Teil eine höhere Exposition zu befürchten, als die ältere Generation.
Asbest verursacht vier verschieden Berufskrankheiten. Zählt man die Todesopfer dieser Krankheiten zusammen, zeigt sich: es sterben mehr Menschen an Asbest, als an anderen Berufskrankheiten, Arbeitsunfällen und Wegeunfällen zusammen!
Eine arbeitsbedingte Erkrankung kann nur als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:
Der Nachweis der berufliche Verursachung ist je nach Berufskrankheit unterschiedlich.
Bei asbestbedingtem Lungen-/Kehlkopf-/Eierstockkrebs gelten 25 Faserjahre als Nachweis.
Anzahl Faserjahre = 25 x 106 Fasern/m3 x Jahre
Die Erkrankten müssen also nachweisen, wie vielen Fasern sie in ihrem Berufsleben ausgesetzt waren.
Die Ermittlung der Exposition kann immer nur von der ausgeübten Tätigkeit erfolgen. Durch Messungen hat man ermittelt. wie viele Fasern bei einer bestimmten Tätigkeit freigesetzt werden (solche Messungen liegen übrigens auch den in der TRGS 519 beschriebenen Schutzmaßnahmen zugrunde). Für die Erkrankten bedeutet das, dass sie nachweisen müssen, welche Tätigkeiten sie mit Asbest ausgeführt haben.
Bei einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 30 Jahren ist klar, dass das häufig kaum möglich ist.
Die Anerkennungsquote asbestbedingter Berufskrankheiten ist gering und im betrachteten Zeitraum sogar rückläufig.
Der Grund dafür dürfte sein, dass es den Erkrankten nicht möglich ist, heute nachzuweisen, welche Tätigkeiten sie in der Vergangenheit ausgeführt haben. So reicht der Nachweis Dachdecker gewesen zu sein z.B. nicht. Vielmehr müsste man nachweisen, wann und wie lange man Asbestzementplatten geschnitten hat.
Es fehlen also Aufzeichnungen der Tätigkeiten.
Die Gefahrstoffverordnung hat 1986 die "Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe" ersetzt. Bereits in der ersten Fassung der GefStoffV war die Pflicht der Arbeitgeber verankert, für jeden Mitarbeiter ein Verzeichnis über die Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen zu führen und 40 Jahre nach Ende der Exposition aufzubewahren.
In der Praxis ist diese Regelung seit 1986 weitgehend unbekannt und wird in der Regel nicht beachtet.
arnsbest
59823 Arnsberg
Seminaradressen z.T. abweichend